Und zack, ist wieder ein Monat um. Wenn ich an die letzten vier Wochen zurückdenke, ist mal viel mal weniger viel passiert. Wir haben unsere restliche Zeit mit Arbeit auf dem Weingut und bei den Blaubeeren verbracht und wurden unseres Lebens nicht froh, aber der Geldbeutel wurde immerhin etwas schwerer. Weihnachten haben wir mit unseren Freunden an einem See nördlich von Napier verbracht und hatten eine sehr schöne, aber wie so oft leider etwas verregnete Zeit. Aber Plane aufgespannt, Kocher und Weihnachtsbaum aufgestellt, Baum gelobt, zack fertig: Weihnachten! Das ganz hervorragende Konzept des Weihnachtsbaum loben musste sowohl unseren internationalen Freunden als auch den nichtschwäbischen Deutschen erklärt werden. Alle waren sofort Feuer und Flamme, aber die absurd hohen Preise für Schnaps haben unsere Vorräte leider sehr begrenzt gehalten, das muss dann halt alles nächstes Weihnachten nachgelobt werden.
An unserem einzigen Arbeitstag zwischen Weihnachten und Silvester wurden wir dann auch direkt um 10 Uhr von einem saftigen Regenschauer bei der Blaubeerenernte überrascht, weshalb wir – auch wegen Lys wieder aufkommenden Schulterschmerzen – direkt den Job hingeschmissen und uns auf den Weg Richtung Wellington aufgemacht haben. Ab in die Hauptstadt! Auf dem Weg dahin haben wir noch einige Stopps gemacht, unter anderem in einer von tausenden Glühwürmchen bewohnten Grotte mit angrenzender Schlucht und bei Castlepoint, wo es eine sehr schöne Aussicht von und auf einem Leuchtturm zu bewundern gibt. Geheimtipp: Unter dem Leuchtturm kann man bei Ebbe zu einer Höhle klettern, wo einige Seelöwen leben!
Von der Stadt Wellington selbst haben wir allerdings erstmal überhaupt nichts mitbekommen, da wir mit unseren Freunden ein airbnb-Haus in einem Vorort gebucht hatten und dort drei Tage in Luxus, Betten und Whirlpool verbracht haben. Nach der Feierei haben wir schließlich doch einmal Wellington erkundet und waren überzeugt: Die Stadt hat Stil! Hier und da lässt sich ein Stück verhipstertes Berlin finden und das war für Ly und mich ein Körnchen Heimat in diesem Schafe-und-Kühe-Strände-und-Berge-Land.
In Wellington gab es dann auch endlich mal wieder große historische Museen, die mir seit Australien gefehlt haben. Ich habe gleich mehrere Tage im Nationalmuseum verbracht und mir auch noch ein paar andere angeschaut, netterweise alles völlig gratis. Damit ich vor zukünftigen Arbeitgebern immerhin sagen kann, ich hätte meinen „beruflichen Horizont“ erweitert oder sowas. Dass ich ein Jahr lang ein Nomadenleben auf Feldern im Beisein von deutschen Abiturienten geführt habe, klingt eventuell nicht direkt sooo sinnvoll, wie das Ganze hier natürlich für mich ist. Also so eher persönlich und charakterlich. Und um herauszufinden, mit wie wenig Geld man das perfekte Abendessen und Frühstück zaubern kann.
Jemand fragte mich vor kurzem, warum ich auf dieser Reise sei. Ich musste nur kurz überlegen, die Antwort war mir eigentlich auch vorher schon klar gewesen: Weil es gerade passt. Weil es – höchstwahrscheinlich- die Einzige und letzte Gelegenheit meines Lebens ist, so einfach an ein Arbeitsvisum in einem Land am anderen Ende der Welt zu kommen, der Realität des eigenen Lebens in Deutschland völlig zu entschwinden und dabei nicht diesen dreimal vermaledeiten Lebenslauf mit einem Loch irgendwo zu verunstalten, wo man keines haben möchte. Nach dem Abschluss der eigenen Ausbildung ist einfach ein perfekter Zeitpunkt.
Schließlich fuhren wir dann mit unserem Van in den Schlund der Fähre, die uns auf die Südinsel brachte. Die Fahrt war relativ unspektakulär, aber ich mag es sehr gerne, an Bord von Fähren und Schiffen zu sein und zuzusehen, wie die Inseln und Schiffe an einem vorbeiziehen. Ein älterer Passagier meinte sogar, er hätte einen Delfin gesehen, für Tier-Unterhaltung ist also auch gesorgt. Wenn man sie denn sieht. Auf der neuen Insel haben wir entschieden, dass wir uns direkt nochmal in die Jobsuche stürzen wollen, da wir Ende Januar auf einem Musikfestival sind und den restlichen Februar meine Schwester einfach mal so eben zu Besuch kommt und man ja auch eventuell mal da irgendwie Zeit zusammen verbringen sollte. Also besser jetzt noch ein bisschen Geld verdienen, damit man im Februar kein schlechtes Gewissen hat. Leider scheinen wir nicht die Einzigen zu sein, die im Norden der Südinsel nach Neujahr angekommen sind und nach Arbeit suchen. Ich habe gefühlt jeder Zeitarbeitsfirma hier meine Handynummer persönlich in den Rachen gestopft aber noch keine positive Rückmeldung bekommen. Wir sind jetzt schon ein paar Tage in Blenheim und wenn sich demnächst nicht etwas ergibt, werden wir wohl anfangen, (sehr) langsam Richtung Golden Bay aufzubrechen, wo unser Festival Ende Januar beginnt. Dank dieser neuen Erfindung des Internetzes lässt sich ja auch unterwegs weiter suchen. Wenn denn gerade Empfang ist.
Ein paar Worte müssen vielleicht zum panischen Stefan gestanden werden. Ich habe gemerkt, dass ich eine Art extremen panischen Auto-Pessimismus besitze, der mich des Öfteren vor die Vorstellung setzt, wie ich den nicht mehr zu rettenden Van anzünde, um wenigstens Geld von der Versicherung wieder zu bekommen. Dabei hatten wir bisher „nur“ eine ernst zunehmende Reparatur, die von einer Werkstatt übernommen werden musste. Als unser konstanter Ölverlust nicht mehr lustig war und wir jeden Morgen den Campingplatz mit einer Wolke weißen Rauchs eingenebelt haben, sind wir zu einer Werkstatt gefahren, um zu meiner umfassenden Erleichterung festzustellen, dass zumindest nicht die Zylinderkopfichtung hin ist.
Stattdessen mussten beide Ventildeckeldichtungen an unserem V6-Motor ausgetauscht werden und alle Zündkerzen erneuert werden, was uns direkt mal etwa einen Wochenlohn gekostet hat: 730 neuseeländische Dollares. Das tut weh. Aber immer noch besser als Zylinderkopfdichtung auszutauschen. Der weiße Rauch ist weg! Öl verlieren wir immer noch, aber bedeutend weniger als zuvor. Der Mechnaniker meinte, da würde Öl ins Getriebe tropfen, aber wenn wir nicht einen starken Batzen Geld in die Hand nehmen wollen würden, würde er es nicht reparieren lassen, weil es ja ein Automatik-Auto sei. Na dann.
Schon vor der Reise hatte ich große Bedenken, ein Auto zu kaufen wegen meiner eigenen Erfahrung, dass alle meine Autos nach meinem vorsichtigen Gebrauch schrottreif waren. Deshalb meine konstante Angst, dass sich irgend eine derart große Reparatur einstellen würde, dass wir das Auto gleich lieber in Einzelteilen verkaufen wollen, um wenigstens noch irgend etwas an Geld wieder zu sehen. Als wir vorgestern eine sehr abenteuerliche Schotterstraße gefahren sind, hat sich bei ein paar besonders schlimmen Furchen in der Straße irgendwie die Elektronik des Autos verabschiedet, weshalb ich auf einmal weder Brems- noch Lenkunterstützung hatte. Und das bei bergab mit gefühlt 70° Steigerung. Naja wir habens irgendwie nach unten geschafft und nach einer Pause sprang der Van auch wieder an. Aber diese Urangst in mir, dass das Auto aus irgend einem Grund so kaputt wird, dass es keiner mehr kaufen will, versetzt mich in solchen Momenten immer in totale Panik. Ly hält solche Momente stoisch aus und beruhigt mich dann, aber wirklich absolut befreit werde ich erst wieder atmen können, wenn wir unseren Van mit nicht allzu großem Verlust in ein Paar Monaten wieder verkauft haben werden (Man beachte das Futur II!). Besitz belastet. In meinem Fall doppelt, wenn es sich um ein Auto handelt. Tief in mir habe ich aber keine Bedenken: Verglichen mit den sonstigen Schrottkarren, die einige Backpacker hier so fahren, kann sich unser Van schon sehr sehen lassen. Nur dieses neue Aufleuchten der Motorkontrollleuchte, da müssen wir wohl.. hmm…
Neueste Kommentare